Hegel-Denkmal auf dem Hegel-Platz in Berlin

Hegel-Institut Berlin e.V.

Daniela Liebig

Produktive Entfremdung - die im Prozeß zu sich kommende Wirklichkeit

Das Ew'ge regt sich fort in allen;
Denn alles muß in Nichts zerfallen,
Wenn es im Sein beharren will.
Goethe

In diesen drei Endzeilen seines Gedichtes "Eins und Alles" erweist sich Goethe als aktiver Verwerter und Verwandter des dialektischen Prinzips. Er erfaßt hierin dessen drei Momente des prozesshaften Fortschreitens: das überall und immer seiende Ganze als Werdendes, das sich darauf begründet, daß innerhalb seines in Bewegung seienden Fortganges alles nur ist und bleibt, indem es auch Nichts ist und als solches wieder vergeht. Daraus ergibt sich, daß das Sein, sofern es Werdendes und darin erst Existentes sein will, innerhalb seiner selbst notwendig antagonistisch beschaffen ist, um in der Bewegung seines inneren Gegensatzes bei sich bleibend zu sich kommen zu können. So wie auch der Augenblick nur ist, indem er eben noch nicht war und gleich schon nicht mehr sein wird, also nur ist, indem er vergeht, hat alles Sein sein Eines und sein Anderes, sofern es Werden ist. So ist der Gegensatz  in der Gleichzeitigkeit seiner Momente  Bedingung der Möglichkeit des Seins als des Prozesses des Werdens, dessen Wesen seine Unbestimmbarkeit ist. Die Einsicht in die Gegensätzlichkeit alles Bestehenden als Werdenden ist das 'Sein' des Heraklitschen Prinzips, welches sich auf das Werden bezieht. Das Werdende ist nur, indem es ist und gleichzeitig nicht ist, wie wir notwendig das Andere denken können, wenn es das Eine gibt und das Eine nicht ohne sein Anderes. Insofern kann Werden von der spekulativen Vernunft auch als Sterben begriffen werden, mit der einzigen Konstanten der Bewegung in der Einheit der Entgegengesetzten von Sein und Nichtsein. Diese Bewegung der entgegengesetzten Momente innerhalb des einen Werdenden wird bei Heraklit noch als die "schönste Harmonie" des Ganzen bezeichnet. Bei Hegel geht eben diese dann als 'absolute Idee', als 'Begriff' als solcher, oder als Begriff des 'Absoluten bzw. Allgemeinen' in die philosophische Begrifflichkeit ein. Die Form der Erkenntnis des Absoluten als Bewegtes und Bewegendes wurde schon von Heraklit beschrieben: Denn das Weise ist das eine: den einsichtsvollen Willen zu verstehen, der alles durch alles hindurchsteuert.

Über die Beschaffenheit dieses weisen, harmonischen Ganzen befindet Heraklit, indem er feststellt, daß es gar nicht erst existierte, wenn es nicht hoch und tief gäbe, und kein Lebewesen, wenn nicht die Gegensätze weiblich  männlich wären.  Hegel kann direkt hieran anknüpfend hinzugezogen werden: Dies sind die abstrakten Sätze über die Natur der Idee und ihrer Entwicklung. So ist die gebildete Philosophie in ihr selber beschaffen; es ist eine Idee im Ganzen und in allen ihren Gliedern, wie in einem lebendigen Individuum ein Leben, ein Puls durch alle Glieder schlägt. Alle in ihr hervortretenden Teile und die Systematisation derselben geht aus der einen Idee hervor; alle diese Besonderen sind nur Spiegel und Abbilder dieser einen Lebendigkeit; sie haben ihre Wirklichkeit nur in dieser Einheit, und ihre Unterschiede, ihre verschiedenen Bestimmungen zusammen sind selbst nur der Ausdruck und die in der Idee enthaltene Form. So ist die Idee der Mittelpunkt, der zugleich die Peripherie ist, der Lichtquell, der in allen seinen Expansionen nicht außer sich kommt, sondern gegenwärtig und immanent in sich bleibt;  so ist sie das System der Notwendigkeit und ihrer eigenen Notwendigkeit, die damit ebenso ihre Freiheit ist.

Die Entwicklung dieser Idee ist schließlich das Werden als "Bewegung des Konkreten" innerhalb derer die Idee über ihre stetige Entäußerung zu sich kommt. Dies, indem ihr "an sich [...] für sie heraus sei, was sie an sich ist". So ist in der Entwicklung der Idee das "Extensivste auch das Intensivste", worin deutlich wird, wie sehr Hegels Prinzip der 'Idee' und der Entwicklung des 'Konkreten' unter dem Einfluß der Lehre Heraklits von dem Werden in der Einheit seiner Gegensätze steht. In diesem Werden nämlich ist "Einträchtig  Zwieträchtiges, Einstimmend  Mißstimmendes, und aus allem Eins und aus Einem Alles", wie Hegels Konkretes "einfach und doch unterschieden" und dieser "innere Widerspruch des Konkreten selbst das Treibende zur Entwicklung" ist, in welchem Sinne wiederum Heraklit 'neuen Tode geboren' werden läßt. In beiden Fällen sind die gegensätzlichen Momente des werdenden Gleichen "obgleich andere gegeneinander, dennoch schlechthin in Einem". Hierin liegt die Dreiteilbarkeit des Werdens in der Einheit seiner Gegensätze. Die ersten zwei Teile sind sein Eines und sein Anderes, und das "Dritte, die Frucht der Entwicklung, ist ein Resultat der Bewegung", also das Werden beider in ihrer entzweiten Einheit. Dies ist die Dreiteilung in bezug auf die Vorstellung der eigenen produktiven inneren Beschaffenheit alles Werdenden: das Werden als es selbst (als ganzes Werdendes) und dazu als sein Eines und sein Anderes innerhalb seiner selbst. So ist das "Absolute [...] die Einheit des Seins und Nichtseins" in deren beider Sein als gegenseitiges Werden und Vergehen. In dieser Bewegung liegt das Wahre als Einheit von Entgegengesetzten im Werden des Absoluten, was eben dieses Wahre ist. Auf diese spekulative Einsicht beziehen sich Horkheimer und Adorno, wenn sie ganz Hegelisch feststellen: Der Begriff war seit Beginn das Produkt dialektischen Denkens, worin jedes stets nur ist, was es ist, indem es zu dem wird, was es nicht ist.

Dabei ist jedoch  nach dem Prinzip der Einheit der Gegensätze  alles immer auch vorher schon zugleich das, was es nicht ist, denn das Wesentliche ist, daß jedes Verschiedene, Besondere verschieden ist von einem Anderen  aber nicht abstrakt irgendeinem Anderen, sondern seinem Anderen; jedes ist nur, indem sein Anderes an sich in seinem Begriffe enthalten ist. Veränderung ist Einheit, Beziehung beider auf Eins, ein Sein, dieses und das Andere. [...] So ist jedes das Andere des Anderen als seines Anderen.

Die Dreiteilung der inneren Beschaffenheit des Werdenden (Werdendes und sein Eines und sein Anderes) wird im Werden noch durch die Ebene der temporalen Dreiteilung des Prozeßhaften bereichert. Diese liegt darin, daß das Werdende in seinem Sein stets von dem her was es war, ist und sein wird, begriffen ist, wodurch sich sein Prozeß erst manifestiert. So hat alles Sein als Werden drei Momente. Dies sowohl auf der gegenständlichen Ebene als sich selbst, sein Eines und sein Anderes, wie auch auf der temporalen Ebene als das, was es ist, was es gewesen ist und was es sein wird bzw. noch nicht ist. Damit ist aber nicht die unabänderlich festgesetzte Gleichheit aller Momente, sondern im Gegenteil deren mögliche und seit je stattgefunden habende Veränderung und Weiterentwicklung im Vergehen und Fortschreiten der Zeiten gesetzt. So kann die Zeit, die selbst nur ist, indem sie vergeht, als Raum des Werdens verstanden werden (temporale Ebene), welches sich selbst durch die antagonistische Beschaffenheit seines Seins als Werdendes bewegt (konstitutionelle oder gegenständliche Ebene). In der sich gegenseitig befruchtenden Bewegung beider Ebenen ist deren Dialektik die Bewegung, "welche alle endlichen Verhältnisse vernichtet".

Beide Ebenen der drei Momente sind im Kontext dieser Arbeit von Bedeutung und kommen im Begriff des dialektischen Materialismus zusammen. Auf der temporalen Ebene greift die Auffassung des historischen Materialismus, daß das sich historisch produzierende Produzierte ein sich historisch produzierendes und produziert werdendes Veränderbares ist. Die konstitutionelle oder gegenständliche Ebene stellt dafür erst die Bedingung, nämlich die notwendig antagonistische Konstitution des Ganzen als Werdendes dar. Erst im Unterwegs des Kräftespiels zwischen dem Einen und Anderen des Ganzen ist die gegenseitige produktive Entfremdung zwischen dem Einen und Anderen des Werdenden möglich. Die Möglichkeit des Kräftespieles ist aber überhaupt erst aus der Existenz des Gegensatzes gegeben, der wiederum Bedingung der Möglichkeit der gegenseitigen Reflexion der jeweiligen Andersartigkeit der zwei Aspekte des Einen ist. So muß sich alles  im vorliegenden Fall insbesondere die unwirkliche kulturelle und geistige Wirklichkeit  seiner doppelten Zweiseitigkeit bewußt sein, anstatt in Einseitigkeit zu verfallen oder zu verharren und damit unwahr zu werden bzw. zu bleiben und im daraus hervorgehenden Stillstand gar nicht zu sein. Hierin klingt bereits das Grundprinzip der 'subjektivitätsermöglichenden Bildung als Entfremdung' an, welche im Folgenden über die Hegelsche Bildungskonstruktion verdeutlicht wird.

Heraklit bezeichnet den Krieg als "aller Dinge Vater", da dieser der Zustand alles Seienden ist, in dem und indem sich Entstehen und Vergehen gegenseitig bedingen. Zudem läßt Krieg Gegensätze erfahrbar werden, wird durch sie erst produziert und produziert sie wieder, so daß diese sich durch ihn auch umdrehen können. Erst durch den konstanten inneren Kriegszustand der Dinge ist die Möglichkeit gegeben, mit sich identisch werden zu können, da alles für seine Identität sein Anderes  sein Gegenteil  braucht. Der Weg des über sein Anderes mit sich identisch Werdens ist bei Hegel der Prozeß der Bildung als Entäußerung, welche der Zentralbegriff der 'Selbstständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins', des Kapitels über 'Herrschaft und Knechtschaft', in der 'Phänomenologie des Geistes' ist. Darin wird deutlich, daß nichts als starres Seiendes, sondern vielmehr als in Anerkennung seiner Gegensätzlichkeit sich selbst bewegend Werdendes existiert, sobald es sein Anderes, das notwendig zu ihm gehört, als solches begreifend reflexiv anerkennt und von diesem ebenso begreifend reflexiv anerkannt wird. So ist jedes Selbstbewußtsein [...] an und für sich, indem und dadurch, daß es für ein Anderes an und für sich ist; d.h. es ist nur als ein Anerkanntes.

Insofern ist das 'Tun' des Seins die Bedingung für sein Zusichkommen als seine Wahrheit. Innerhalb des Entwurfes des Selbst ist dieses Tun dargestellt in der Arbeit des Hegelschen Knechts, der ständig an der Wahrheit seines Seins als Selbstbewußtsein arbeitet. Indem er dies tut, kann er schließlich Selbstbewußtsein werden und sein Knechtsein aufheben, indem der Herr eben dieses 'Tun' nicht tut, sondern selbstgefällig rein genießt. Der Herr begreift den Knecht zusätzlich und unterdessen noch als verdinglicht, während dieser seine Dinghaftigkeit schon zu ihrer Auflösung hin bearbeitet. Damit verbindet sich der Herr in seinem UnBewußtsein mit der Dinglichkeit des Knechts, die er damit zu seinem eigenen Anderen werden läßt, wodurch das Andere des Knechts die Subjektivität wird, die er durch sein Tun nach und nach zu seinem Eigenen werden läßt.

Hier ist erneut die Harmonie der Einheit der Gegensätze anzutreffen, innerhalb derer die Bewegung des Seins und Nichtseins zu ihrer gegenseitigen Auflösung hin Bedingung des Werdens ist. Die Harmonie ist also der Prozeß, innerhalb dessen der Knecht über seine eigene (aktive) Arbeit bei gleichzeitiger (passiver) Existenz des Herren Bewußtsein über sich selbst als Knecht erlangt und somit  als Selbstbewußtsein zu sich kommend  seine Knechtschaft aufheben kann. Die Entfremdung  die Tatsache der Existenz des Herrn als das Andere des Knechts (als das ihm Äußerliche)  ist Bedingung für das Bewußtsein des Knechts über eben diese. Das Selbstbewußtsein des Knechts ist darüber hinaus nur wieder möglich über sein Bewußtsein über diese Bedingung, welches sich im Prozeß der Entäußerung bildet. In dieser Bewegung ist das Zusichkommen des Knechts als NichtKnecht, als Selbstbewußtsein, möglich. Selbstbewußtsein ist also  ganz nach dem Heraklitschen Prinzip  gleichzeitig Entfremdung, sowie Leben gleichzeitig Tod ist: das Eine ist im Vergehen des Anderen, das Andere im Vergehen des Einen und beides ist gleichzeitig im Werden und ermöglicht dieses somit als Prozeß. So ist bzw. wird das jeweils Eine (Selbstbewußtsein) nur über das jeweils Andere (Selbstbewußtsein) und kann sein jeweils Anderes schließlich auch nur über dessen Existenz  die des Anderen  auflösen. Dieser Prozeß ist Bedingung von Leben als Werden, von Geschichte, von Wahrheit. Er ist die Mühsal der Erkenntnis, die Arbeit des Begriffs, des Geistes und des Subjektes als aktives Tun, mit dem Resultat der Produktion von Geschichte, d.h. mit dem Resultat der Produktion von Werden. Ziel dieser Mühsal sollte die Einsicht in das Ganze als Einheit Entgegengesetzter sein, damit das Ganze über die und seine Bildung zu sich kommen könne. Neben dem Prozeß als "die bleibende Idee" und dem Begriff als die "seiende Einheit der Gegensätze" existiert die "Notwendigkeit" als Möglichkeit der 'subjektivitätsermöglichenden Bildung als Entfremdung'.

Und der Begriff der Notwendigkeit ist kein anderer als eben dieser, daß das Seiende als Bestimmtes in dieser Bestimmtheit ist, was es ist [...], aber eben dadurch sich auf sein Entgegengesetztes bezieht, [...]. Das Eingebettetsein in eben diese Notwendigkeit nämlich, das Eingebettetsein also des Knechts in die tatsächliche Existenz des Herren auf der einen Seite und die mögliche 'Existenz' seiner Freiheit auf der anderen, ist die Möglichkeit des Knechtes, als NichtKnecht zu sich zu kommen. Während nämlich das Wesen der Herrschaft die Knechtschaft ist, ist es das Wesen und die Aufgabe der Knechtschaft, diese aufzulösen. Dafür ist es dringend erforderlich, daß der Knecht weiß, was er verliert, sofern er Knecht bleibt. Das zu Verlierende  die Knechtschaft  ist die Möglichkeit der Subjektivität des Knechts, seines an und für sich seienden Selbstbewußtseins. Diese Möglichkeit kann der Knecht nur über sein aktives Tun als seine Arbeit zu sich kommen, d.i. möglich werden lassen. Neben der Existenz des Herren bedarf es dafür seiner konstanten Bereitschaft, das Leben zu wagen und darin als produktives 'Opfer' für das Leben den Tod zu riskieren, also seine Auflösung in Kauf zu nehmen, was ja ein Opfer zur Freiheit wäre. In diesem Sinn erhält die Zeile "freedom is just another word for nothing left to loose" ihre eigentliche Bedeutung. Das Wagnis zum Leben ist nichts anderes als das Loslassen vom Tod, als NichtSelbstbewußtsein, als NichtExistenz, dessen sich bildendes Resultat die Bearbeitung zur Freiheit sowohl auf der subjektiven (Individuum), als auch auf der objektiven Seite (Welt) ist. Diese Bildung der und zur Befreiung ist zunächst über das reine Bewußtsein ermöglicht, dessen Bedingung wiederum die Entfremdung  in bezug auf den Knecht also die Existenz des Herren  ist. Das Selbstbewußtsein bildet sich dann im Bewußtsein über diese Entfremdung. Bedingung für dieses befreiende Moment, welches im Bewußtsein des Bewußtseins über seine Entfremdung liegt, ist, daß es  das Bewußtsein  "die Furcht des Todes, des absoluten Herren, empfunden" hat. So kann die Furcht vor der Andersartigkeit der Welt oder des Eigenen, die Furcht vor dem Fremden als Bestandteil des Ganzen, über deren Reflexion durchaus wegweisender Antrieb zur Umbildung des vorgefundenen Anderen werden, welche sich über die Bildung des Eigenen vollzieht.

Im Hegelschen Ideal ist es die Arbeit des Knechts, die den sonst sich ewig reproduzierenden Kampf der Gegensätze zu ihrer weiteren Entwicklungsstufe der Freiheit treibt. Zur Auflösung nämlich der Knechtschaft und damit auch der Herrschaft, da das Eine nur ohne das Andere nicht sein kann. Diese Entwicklung ist im Begriff der Dialektik und der Möglichkeit der Bildung an ihr und durch sie immer mitgedacht. Wie sehr die Arbeit des Knechts an der antagonistischen Wirklichkeit diese in Wahrung ihrer Einheit als der der Gegensätze ständig aus ihrer einfachen Reproduktion zu ihrer Entwicklung treibt, ist ex negativo bei Alexandre Kojéve formuliert: Ohne die Arbeit des Knechts würde der 'erste' Kampf sich unaufhörlich wiederholen: nichts würde sich daran ändern; er würde nichts am Herrn ändern; nichts würde sich also im Menschen durch den Menschen und für den Menschen ändern; die Welt bliebe mit sich selbst identisch, sie wäre Natur und nicht geschichtliche, menschliche Welt. [...]. Wo es Arbeit gibt, gibt es deshalb notwendigerweise Veränderung, Fortschritt, geschichtliche Entwicklung.

In der Arbeit ist der Knecht ein sich bildend Bildender. Dies ist bei Hegel auf der Ebene des Geistes formuliert, wenn er schreibt, daß sich der Geist [...] nicht nur eine Welt, sondern eine gedoppelte und entgegengesetzte aus[bildet].  Die Welt des sittlichen Geistes ist seine eigene Gegenwart. [...]. Hier aber bedeutet das Gegenwärtige nur gegenständliche Wirklichkeit, die ihr Bewußtsein jenseits hat; jedes einzelne Moment als Wesen empfängt dies und damit die Wirklichkeit von einem anderen, und insofern es wirklich ist, ist sein Wesen ein anderes als seine Wirklichkeit.

So erreicht der Knecht durch und über seine Arbeit als ein Vermittelndes zwischen Wesen und Wirklichkeit  seinem Einen und Anderen  seine Subjektivität. Bedingung dieser Subjektivität ist die Existenz ihrer Bedingungen: die Entfremdung und Verdinglichung durch die Existenz des Herren als ihr (der Subjektivität des Knechtes) zunächst sowohl inneres als auch äußeres Anderes und die Vermittlung zwischen dieser und sich selbst, als dann ihr (der Subjektivität des Knechtes) inneres und äußeres Eigenes.

Die Existenz der antagonistischen Beschaffenheit des Ganzen ist also Bedingung der Möglichkeit der subjektivitätsermöglichenden Bildung als produktive Entfremdung über Entäußerung. Der Prozeß des Bildens kann dabei gefaßt werden als der des Heraustretens aus der eigenen Selbstheit im gleichzeitigen Hineintreten mit ihr in die Allgemeinheit, worin das Besondere im Allgemeinen zu sich käme als eben das Andere des Allgemeinen, welches ohne dieses aber nicht sein könnte. Das Prinzip der Besonderheit geht eben damit, daß es sich für sich zur Totalität entwickelt, in die Allgemeinheit über und hat allein in dieser seine Wirklichkeit und das Recht seiner positiven Wirklichkeit. [Dieses] [...] als Notwendigkeit, daß das Besondere sich zur Form der Allgemeinheit erhebe, in dieser Form sein Bestehen suche und habe. Über "die negative Einheit [...] der Individualität und des Allgemeinen, oder der Wirklichkeit und des Selbst" erlangt das Besondere  als Individualität  erst seine Wirklichkeit, denn das Wirkliche hat schlechthin die geistige Bedeutung, unmittelbar allgemein zu sein.

In dieser Bewegung ist das Bewußtsein [...] für sich selbst sein Begriff, dadurch unmittelbar das Hinausgehen über das Beschränkte, und, da ihm dies Beschränkte angehört, über sich selbst.

Die Existenz des Eigenen im Fremden ermöglicht erst den Auszug zu sich selbst, innerhalb dessen die Entfremdung über das Fremde der Vorgang des SichBildens am Fremden für sich selbst ist. Entäußerung als Entfremdung und damit als Bedingung von Bildung bezieht sich also auf die Zweiheit in bezug auf das eigene Innen, wie auch auf das andere Außen. Innerhalb dieser Zweiheit bezieht sich ihr Eines stets auf ihr Anderes und bearbeitet dieses zu sich hin, wobei das Bearbeitete dann wieder neu zur Bearbeitung drängt.

Der Geist geht in sich und macht sich zum Gegenstande, und die Richtung seines Denkens darauf gibt ihm Form und Bestimmung des Gedankens. Diesen Begriff, in dem er sich erfaßt hat und der er ist, diese seine Bildung, dies sein Sein, von neuem von ihm abgetrennt, macht er sich wieder zum Objekte, wendet von neuem seine Tätigkeit darauf.

Der Geist bzw. der Mensch in der Welt erfährt sich stets in sich und der Welt und bildet sich an diesen beiden Momenten seiner Existenz zu seiner Identität als Selbstbewußtsein eben über diese Erfahrung, so daß die Erfahrung des Anderen als Voraussetzung für Bildung begriffen werden kann: Diese dialektische Bewegung, welche das Bewußtsein an ihm selbst, sowohl an seinem Wissen als an seinem Gegenstande ausübt, ist eigentlich dasjenige, was Erfahrung genannt wird.

So manifestiert sich die "Reihe [der] Gestaltungen, welche das Bewußtsein auf diesem Weg durchläuft [als] [...] die ausführliche Geschichte der Bildung des Bewußtseins selbst zur Wissenschaft", deren Produkt die so nicht stillstehende sondern sich entwickelnde Wirklichkeit ist. Dieser Prozeß der Bildung  von Hegel als "Weg der Verzweiflung" bezeichnet  hat wie beschrieben seine positive Voraussetzung gerade in der Zweiheit der Einheit, die sich bildend zu sich unterwegs ist. Diese Einheit ist die Geschichte, innerhalb derer sich ihre Momente, selbst jeweils 'verzweifelt' zu ihr und sich werdend, vereinen.

Wie bei Heraklit das Feuer das Prinzip des Lebens und dessen "reale Form als Prozeß" darstellt, und, da es in seinem Vergehen erst existiert "die Seele und Substanz des Naturprozesses" ist, ist "das Dasein [...] die Verkehrung jeder Bestimmtheit in ihre entgegengesetzte, und nur diese Entfremdung ist das Wesen und [die] Erhaltung des Ganzen". Es ist das Moment des Richtungssinnes der Rückkehr, welches die Bewegung des AussichHeraus zur produktiven Bildung des zu sich kommenden Ausziehenden macht, worin es ewig als Werdendes bzw. als Werdendes ewig bleibt.

Der Geist [...] selbst ist das An und Fürsichsein des Ganzen, das sich in die Substanz als bleibende und in sie als sich aufopfernde entzweit, und ebenso sie auch wieder in seine Einheit zurücknimmt, sowohl als die ausbrechende sie verzehrende Flamme wie als die bleibende Gestalt derselben.

Diese 'bleibende Gestalt', diese Harmonie ist das Werden beider Seiten des Ganzen über ihre Bildung als die gegenseitige "verwirklichende Bewegung und Begeisterung der Momente". Für diese Bewegung unerläßlich ist die Existenz eines vom Selbst Unterschiedenen. Dies ist dabei nicht ein unbestimmtes Anderes, sondern das bestimmte Andere des Einen: Zur Harmonie gehört ein bestimmter Gegensatz, sein Entgegengesetztes, [...]. Die Subjektivität ist das Andere der Objektivität, nicht von einem Stück Papier  es fällt das Sinnlose hiervon gleich auf  es muß sein Anderes sein und darin liegt eben ihre Identität.

Dieses Erwerben in der Entfremdung als "Bedingung der theoretischen Bildung" vollzieht sich als Verfremdung, in der sich das Subjekt der Bildung "mit einem NichtUnmittelbaren, einem Fremdartigen, mit Etwas der Erinnerung, dem Gedächtnisse und dem Denken Angehörigen"  also immer dem Gegenteil dessen, was in ihm direkt greifbar ist  konfrontiert sieht. Das Andere ist dem Einen dabei so nah  als Teil des Eigenen  und doch nicht nah genug, als daß es im Einen kein Verlangen nach sich selbst ( als dem Anderen des Einen  und damit wiederum dessen Anderen, also dem Einen) aufkommen ließe. Denn das Fremdartige, das Ferne führt das anziehende Interesse mit sich, das uns zur Beschäftigung und zur Bemühung lockt, und das Begehrenswerte steht im umgekehrten Verhältnisse mit der Nähe, in der es steht und gemein mit uns ist.

Dabei sei es aber "eine notwendige Täuschung, [zu meinen,] das Tiefe zunächst in der Gestalt der Entfernung suchen zu müssen".Wenn nämlich auch das Eine dem Anderen zum Gegenstande wird, den er lernend und bildend bearbeitet, so ist eben dieser bereits in ihm  als das verdoppelte Selbstbewußtsein vorhanden. So verhalten sich beispielsweise Mensch und Welt gegenseitig äußerlich zueinander, obwohl zugleich das jeweils Eine im jeweils Anderen und das jeweils Andere im jeweils Einen vertreten ist.

In diesem Sinne bildet sich der tätige Mensch seine Möglichkeit "zur Anschauung des selbständigen Seins als seiner Selbst", indem er die Wirklichkeit bearbeitend verändert und sein Tun sich in ihr spiegeln läßt. Die sich gegenseitig bildende und sich als jeweiligen Gegenstand verändernde Selbstbewußtseine (auf geistiger Ebene) bzw. Teile der Einheit des werdenden Prozesses (auf allgemeiner Ebene) sind also einig und doch verschieden, denn jedes ist es "selbst im Anderen".

Der Begriff dieser seiner Einheit in seiner Verdopplung, der sich im Selbstbewußtsein realisierenden Unendlichkeit, ist eine vielseitige und vieldeutige Verschränkung, so daß die Momente derselben teils genau auseinandergehalten, teils in ihrer Unterscheidung zugleich auch als nicht unterschieden oder immer in ihrer entgegengesetzten Bedeutung genommen und erkannt werden müssen.

Die Reflexion auf die eigene Verdopplung, die Entfremdung sowohl innerhalb des eigenen Selbst, als auch in der Beziehung des Selbst zu dem ihm äußerlichen Anderen, welches in sich selbst ebenso verdoppelt ist, ist der Prozeß des SichBildens, der Arbeit, der gegenseitigen Anerkennung beider. Die Identität und die Bewegung bzw. die sich bildende Identität in der Bewegung dieser sich gegensätzlich zu sich verhaltenden Momente des Einen, ist der Inhalt des Hegelschen 'Begriffs', welcher somit im Begriff des 'Ganzen' den Prozeß des Werdens des Ganzen greifbar werden läßt. Nach Hegels Vorstellungen wird sich in ihm "die Entfremdung [stets] selbst entfremden, und das Ganze durch sie in seinen Begriff sich zurücknehmen". Verwirklicht wird dieses über die Möglichkeit des sich entwicklenden Geistes und seiner Bildung als Arbeit, in der er über die Entfremdungen hinausgehend zu sich findet.

Der Mensch ist, was er sein soll nur durch Bildung [...]; was er unmittelbar ist, ist nur die Möglichkeit, es zu sein, d.h. vernünftig, frei zu sein nur die Bestimmung, das Sollen. [...] Der Mensch [...] muß sich selbst zu dem machen, was er sein soll; er muß sich alles erst selbst erwerben, eben weil er Geist ist.

In dieser Idealkonzeption der idealistischen Idee wird über die Bildung in der Entfremdung das Prinzip der Geschichtlichkeit geboren. Es ist also der Vorgang der Bildung auf der Grundlage der produktiven Entfremdung  die wiederum auf der Existenz der Gegensätze basiert  innerhalb dessen das sich entwickelnd Werdende sich und die Welt auf die Ebene der Geschichte hebt.

Das Werden in der Einheit seiner Gegensätze als Möglichkeit der Produktion und Veränderung von Geschichte

Dieser innere Widerspruch
des Konkreten ist selbst
das Treibende zur Entwicklung.
Hegel

Das durchgängige Moment der Bildung im Prozeß der sich gegenseitig entäußernden Bestandteile des Ganzen als produktive Entfremdung ist im zweifachen Sinne im sich aufhebenden Verlauf der Geschichte aufgehoben. Der Aspekt der Verdopplung  die Existenz des Einen und Anderen im Ganzen  ist sowohl auf der subjektiven geschichteproduzierenden Ebene, als auch auf der Ebene der sich ebenso selbst entäußernden Geschichte anzutreffen. Wie die Bewegung des Werdens als ZusichKommen mit ihrer eigenen Auflösung einher geht, und auch das Bewußtsein auf seinem Wege zum Selbstbewußtsein sich selbst  bzw. sein eigenes inneres Eines als Unbewußtsein  aufzuheben trachtet, damit es sein Anderes als sich selbst erreiche, bewirkt auch die aus ihrem GebildetWerden sich bildende Geschichte in ihrem Prozeß ihre eigene Aufhebung. Diese im Prozeß des Geistes zum 'absoluten Wissen'  als absolute Einsicht in die Abfolge seiner Bildung als Geschichtlichkeit  sich vollziehende Aufhebung desselben, ist in seiner eigenen Negativität die Substanz des absoluten Begriffes selbst und zudem die Einsicht in die Art des Aufeinanderfolgens des sich durch, als und im Geist gebildet habenden Existenten . Dieses bereits Existente ist nun nach Hegels Idee a posteriori der Gegenstand der Entäußerung des Geistes. Dieser legt sein wahres Sein an seinen wirklichen geschichtlichen Ausdruck und vollzieht diesen als Weg seiner Entfremdung begreifend nach, wodurch die sonst nur schlichte Produktion von Werden ihm zur "begriffene[n] Geschichte" wird, worin das Ganze seine Wahrheit und Wirklichkeit und das Wissen seine Absolutheit erlangt.

Das Ziel, das absolute Wissen, oder der sich als Geist wissende Geist hat zu seinem Weg die Erinnerung der Geister, wie sie an ihm selbst sind und die Organisation ihres Reiches vollbringen. Ihre Aufbewahrung nach der Seite ihres freien in der Form der Zufälligkeit erscheinenden Daseins ist die Geschichte, nach der Seite ihrer begriffenen Organisation aber die Wissenschaft des erscheinenden Wissens; beide zusammen, die begriffene Geschichte, bilden die Erinnerung und die Schädelstätte des absoluten Geistes, die Wirklichkeit, Wahrheit und Gewißheit seines Throns, ohne den er das leblose Einsame wäre.

Das 'leblose Einsame' deshalb, da er  der Geist  nur einfacher und daher unbegriffener wäre, während aber das Selbst immer aus seiner Zweiheit bzw. Verdopplung, also erst als sich selbst reflexiv als Selbstbewußtsein setzend, lebendig sein kann. (Denn "man muß zu zweien sein, um menschlich" d.i. geistig sein zu können.) Das einsame Ansich des Geistes, ohne seine Manifestation in der gegenständlichen Wirklichkeit, würde sowohl sich selbst, als auch sein Anderes, über das seine beiden Seiten in ihm als 'anundfürsich' zu sich kommen wollen, töten bzw. unmöglich machen. Die Tatsache aber, daß er sowohl einen Begriff von seinem an sich seienden Wesen als auch von der sich aus diesem in die Welt entäußert habenden Erscheinung seiner hat, die er als Erinnerung "post festum" reflektiert, gewährleistet nicht nur die weitere Bewegung, sondern auch seine ständige Dauer, bis sich Erinnerung, Gegenwart und Zukunft ohne Unterschied einig sind. Letzterer Zustand ist "die Schädelstätte des absoluten Geistes". Doch gerade die Beschaffenheit des Absoluten macht, daß aus seiner Schädelstätte durch die sich ihm annähernde Erscheinung seiner selbst unendlich zu schöpfen sein wird, bevor sich die Bewegung einst erschöpft selbst aufgehoben haben wird, denn "aus dem Kelche dieses Geisterreiches schäumt ihm seine Unendlichkeit".

Hierin wird erneut deutlich, daß die Verdopplung alles Seienden  das Bestehen der unversöhnlichen Gegensätze innerhalb der Harmonie des Ganzen  die Bedingung für sein und seiner Teile Werden ist. Das Werden vollzieht sich über die Entfremdung zwischen Subjekt und Objekt, Erscheinung und Ding an sich, gegenständlicher Wirklichkeit und wirklicher Wirklichkeit als Ideal, Gegenstand und Begriff, etc. und damit als gegenseitige Befruchtung von Weg und Ziel.

Der "Weg der Verzweiflung", den die zwei Teile des Ganzen in der Produktion von Werden einschlagen, kann als der der Emanzipation des Werdenden von seiner Unzulänglichkeit verstanden werden. Im Gang des Selbst als Bewußtsein zu seiner Identität als Selbstbewußtsein emanzipiert sich das werdende Selbstbewußtsein von sich als natürlichem Bewußtsein, indem es dessen Selbstverlust in Kauf nimmt.

Das natürliche Bewußtsein wird in dem Maße zum wahren Bewußtsein, indem es sich von dem emanzipiert, was Natur an ihm ist, also NichtBewußtsein. Das natürliche Bewußtsein ist dabei das nur erscheinende, noch nicht reflektierte Wissen, dessen Bildung zum Selbstbewußtsein sich erst über ihre (der Bildung) Reflexivität als Geschichte manifestiert. So kann auch die von Hegel vorgenommene Trennung zwischen nur erscheinender und begriffener Geschichte eingesehen werden: die erscheinende Geschichte ist Ausdruck des erscheinenden Wissens. Dieses wiederum ist Ausdruck des sich entwickelnden Geistes, dessen Weg über sich selbst  und damit als das Andere des sich entwickelnden Wissens  zum absoluten Wissen führen soll. Darin sind beide Momente des Geistes, sein Ansich und die sich zu ihm treibende Negation seiner wieder einmal nur in ihrer gegenseitigen Anerkennung   "sie anerkennen sich als gegenseitig sich anerkennend"  sich und damit auch die Geschichte entwickelnd. Das treibende und produktive Moment der Geschichte ist also die bewußte Einsicht in die Unwahrheit des erscheinenden Wissens, dem dasjenige das Reellste ist, was in Wahrheit vielmehr nur der nichtrealisierte Begriff ist.

So kann die Phänomenologie der Geschichte als der des Geistes als Bewegung der sich zwischen ihrem 'Wesen' und ihrer Erscheinung entwickelnden Wirklichkeit aufgefaßt werden, innerhalb derer die begriffene "Geschichte [...] das wissende sich vermittelnde Werden  der an die Zeit entäußerte Geist" ist.

Die Entäußerung des Geistes an die Zeit, die "Auslegung des Geistes in der Zeit", welche ja letztlich den Raum seines Werdens darstellt, ist auf der subjektiven Ebene die Arbeit der 'Selbste', die ihre Unfreiheit und Unvollkommenheit zu ihrer Freiheit hin bearbeiten sollten. Ebenso wie die Geschichte der gegenständlichen Wirklichkeit  des vorerst nur erscheinenden Wissens  , ist auch die Arbeit als deren Produktionsstätte die Vermittlung zwischen Erscheinung und `Wesen´ der Individualität und Subjektivität ihrer Selbste. Der Weg dieser Vermittlung ist die Phänomenologie der Befreiung, welche sich in Geschichtlichkeit entäußert. Vermittlung heißt [aber] bei Hegel niemals, [...], ein Mittleres zwischen den Extremen, sondern die Vermittlung ereignet sich durch die Extreme hindurch in ihnen selber. Dabei beziehen sich die Entgegengesetzten und doch über ihren Gegensatz dialektisch Vermittelten stets aufeinander, wobei diese Vermittlung schließlich eine Adäquation der Erscheinung mit dem Ding an sich, des Begriffs an seinen Gegenstand des Subjekts ans Objekt [...] herstellen soll [...].

Maßgegend für diese und jede Entwicklung ist die bestimmte Negation, über die die Arbeit des Begriffes und seine Bildung erst ermöglicht wird. Sie ist zudem der dialektische Modus, nach dem sich das natürliche Bewußtsein zum absoluten Wissen bildungsgeschichtlich konkretisiert .

Über die bestimmte Negation als "Modus procedendi der Bildungsgeschichte des natürlichen Bewußtseins zum absoluten Wissen" vollzieht sich die Entfaltung des konkreten Geistes als Totalität in der Vermittlung vom Allgemeinen und Besonderen, in der schließlich das Ganze als AnundfürsichSein bei sich ankommen soll. In dieser geschichtsphilosophischen Intention ist die Dialektik das unbeirrte Bemühen, kritisches Bewußtsein der Vernunft von sich selbst mit der kritischen Erfahrung der Gegenstände zusammenzuzwingen.

Ihr Weg verfolgt die "wechselfältige Negation und Produktion der subjektiven und objektiven Momente" und ist darin der Weg der Arbeit und Bildung des Begriffs als Weg der Arbeit des Geistes und der Wirklichkeit zu sich selbst. Die Objektivität dieser Bewegung, die im Ganzen verschmelzend doch bei sich bleibend (wie "der Lichtquell, der in all seinen Expansionen nicht außer sich kommt, sondern [...] immanent in sich bleibt") in das eingeht, was doch ihr äußeres Anderes bleibt, ist in ihrer Vollkommenheit die Identität von Objekt und Subjekt, in der Subjekt und Objekt sich als unterschieden Gleiche zum SubjektObjekt verhalten, welches das Subjekt des Weltganges ist. In dieser Konzeption des mit sich und seinem Anderen  als sein Anderes und sein Eigenes  Identischen  liegt die Bewegung, welche die negative Arbeit, die Verflüssigung der einzelnen Begriffe, die Reflexion des Unmittelbaren und dann wieder die Aufhebung der Reflexion leistet. Das in dieser Bewegung bildend aus sich Herausgehende geht im selben Schritt produzierend in die Geschichte  und zwar aufgrund der Reflexion in die begriffene Geschichte  ein. Das zu sich unterwegs seiende Werden vollzieht somit in seinem Gang die eben beschriebene Annäherung von Subjekt und Objekt, an derer beider Gestaltung es zudem in seiner Bewegung zu sich selbst beteiligt ist. Im Begriff der 'absoluten Idee' schwingt aber immer mit, daß die Geschichte bei Hegel bereits ihr Eigenes an sich selbst hat, welches diese 'absolute Idee' schon in sich trägt, die vom sich zum absoluten Wissen hin Entwickelnden lediglich noch nachvollziehend vollzogen wird. Nun ist die 'absolute Idee' aber gerade kein Starres, sondern stellt vielmehr die "Unmöglichkeit der Reduktion der Welt auf einen [...] Pol" dar, wodurch die Negativität und deren ausziehendes und reisendes Gestalten mehr den Inhalt der `absoluten Idee´ widerspiegelt, als daß sie ihn verneinte, oder durch ihn unwahr werden würde. In dieser der 'absoluten Idee' immanenten Negativität verwirklicht sich der 'Weltgeist' als das "entscheidende Subjekt der Geschichte" in der Form der Allgemeinheit. Allgemeinheit ist hier aber keine das individuelle Subjekt ausschließende, sondern vielmehr eine "gedoppelte Allgemeinheit, subjektiver und objektiver Art". Diese "charakterisiert die geschichtliche Welt, worin der Mensch sein Leben entfaltet". In dieser Entfaltung nimmt das Besondere seinen Gang zum Allgemeinen insofern, als es sich auf dem Weg zu seinem wahren Sein als Selbstbewußtsein, als reflektiertes Sein und damit auf dem Weg zu seinem Wesentlichen befindet. Das Wesentliche ist als Absolutum also schon von seiner Begrifflichkeit her  bzw. gerade durch sie  das Allgemeine.

Indem der Weg des Selbstbewußtseins  als das sich begreifende Sein  in den und durch die Individuen beschritten wird, vollziehen diese in sich den 'Fortschritt des Geistes' als Weltgeist und darin den Fortschritt der Geschichte selbst zu ihrem Selbstbewußtsein als einem des Geistes. Der sich so über die Individuen weiterbildende Geist ist innerhalb ihrer "die nach sich selbst strebende und treibende Wahrheit". Wie der Weltgeist die Erscheinung des Weges der Wahrheit zu sich selbst sichtbar macht, ist das Individuum über seinen Willen und Drang zur Tätigkeit das Mittel und 'Material' ihrer und seiner Verwirklichung als der des Vernünftigen: Im menschlichen Wissen und Wollen, als im Material, kommt das Vernünftige zu seiner Existenz. Die Bildung der Existenz des Vernünftigen, die Produktion, Weiterentwicklung und damit Veränderung von Geschichte, ist das Ergebnis ihrer beiden Bedingungen: so ist zunächst das bereits Existente  welches in seiner Gegenwart ebenso die Vergangenheit in sich trägt  das Eine der Weiterentwicklung der Geschichte und damit die Grundlage ihrer Veränderung. Ihr Anderes  das Andere der sich weiterentwickelnden Geschichte  ist das wesentliche Moment der Tätigkeit des geistigen Individuums im fortschreitenden Denken, welches sich in seiner Bewegung auf das Vorhandene als das Eine der Geschichte bezieht und von diesem abstrahiert. Denken muß einen Gegenstand haben, über den es durch seine Tätigkeit hinausgehen kann, weshalb für die Bewegung der Geschichte die reine

Berufung auf das Denken [...] als ungenügend erscheinen [kann], weil in der Geschichte das Denken dem Gegebenen und Seienden untergeordnet ist, dasselbe zu seiner Grundlage hat und davon geleitet wird.

Da die Geschichte über das sich notwendigerweise denkend ("das Denken können wir aber einmal nicht unterlassen") zum Bewußtsein seiner selbst entwickelnden Selbst als geistigem Wesen produziert wird, geht Hegel davon aus, "daß die Vernunft die Welt beherrsche". In der reflexiven Tätigkeit des Individuums legt die Vernunft auf dem Weg zu sich ihr Ideal als Produktion der Geschichte in die Wirklichkeit. Dieses über die "unendliche Macht" der Substanz, "wodurch und worin alle Wirklichkeit ihr Sein und Bestehen hat". Es ist diese 'Substanz', die Bewegung der Dialektik, die Bewegung des absoluten Begriffs als das Substantielle, wodurch "die Vernunft nicht so ohnmächtig ist, es nur bis zum Sollen zu bringen und nur außerhalb der Wirklichkeit [...] als etwas Besonderes in den Köpfen einiger Menschen vorhanden zu sein". Es ist dem Begriff der Substanz nämlich immanent, daß sich in ihm und durch ihn das Innen in sein Außen  die Wirklichkeit  treibt, nicht ohne daß die Wirklichkeit  das Andere des Innen  sich eben dieses Innen immer wieder erneut begreifen läßt, auf daß es sich als ein sich weiterentwickelt habendes erneut in die Wirklichkeit lege, die sich so ihrerseits weiterentwickeln könne. Somit ist die Weltgeschichte die "reiche Produktion der schöpferischen Vernunft", deren Ergebnis in der Explikation des Geistes  wie oben bereits erwähnt  "die Vereinigung des Konkreten mit dem Allgemeinen" ist.

Das Substantielle als "der Geist und der Verlauf seiner Entwicklung", zieht also "auf dem Boden des in der Welt wirklichen und tätigen Geistes" in seine wirkliche, gegenständliche und begriffene Wirklichkeit aus und ein. Die Wirklichkeit ist dabei nicht nur Beiwerk oder zufällige Abfallproduktion des Geistes und seiner Entwicklung, sondern vielmehr seine einzige 'konkrete Möglichkeit', zu sich zu kommen: Der Geist ist aber auf dem Theater, auf dem wir ihn betrachten, in der Weltgeschichte, in seiner konkreten Möglichkeit. Der Erwerb seiner 'konkreten Möglichkeit' über seine Tätigkeit, ist der Erwerb seines Wesens als seine Freiheit, denn "die Substanz, das Wesen des Geistes [ist] die Freiheit". Ferner ist die Weltgeschichte damit  als über das Individuum vermittelt  "die Darstellung des Geistes, wie er sich das Wissen dessen, was er an sich ist, erarbeitet".

Die Leistung des Bewußtseins hin zum Selbstbewußtsein zieht als Bewußtsein über sich selbst die Erkenntnis mit und nach sich, daß "die Freiheit des Geistes seine eigene Natur ausmacht". Das Prinzip der Freiheit ist das allgemeine Prinzip, welches auf der Höhe der dialektischen Geschichtlichkeit als AnundfürsichSeiendes zu sich kommen will. Dieses Prinzip auch in die Wirklichkeit eingehen zu lassen, ist die Aufgabe der sich entwickelnden Wirklichkeit  als der Wirklichkeit der Freiheit  selbst, "welche zu lösen und auszuführen eine schwere lange Arbeit der Bildung erfordert". Der Mensch, welcher sich  sich selbst und seine Welt produzierend  in der Wirklichkeit verhält, ist angehalten, die Notwendigkeit zu erkennen, daß die "Weltgeschichte [...] der Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit" sein solle. Die Freiheit selbst ist das Wissen des Geistes von sich und seinem freiheitlichen Wesen. Das Bewußtsein über dieses ist die Möglichkeit seiner (des Geistes) und damit ihrer (der Freiheit) Wirklichkeit. Dieses Bewußtsein erlangt das geistige Selbst über die Erkenntnis "des unmittelbaren Unterschieds zwischen dem [...], was nur erst an sich, und dem, was wirklich ist ". Bewußtsein über den Gegensatz von Ideal und Wirklichkeit, über den Gegensatz also von unwirklicher  weil unvernünftiger  und wirklicher  also vernünftiger  Wirklichkeit, ist die Möglichkeit der Entwicklung des Bewußtseins zum Selbstbewußtsein und damit zur Freiheit. Dabei ist es zugleich "die Freiheit in ihr [der Freiheit] selbst, welche die unendliche Notwendigkeit in sich schließt, eben sich zum Bewußtsein und damit zur Wirklichkeit zu bringen: sie ist sich der Zweck, den sie ausführt, und der einzige Zweck des Geistes. Dieser Endzweck ist das, worauf in der Weltgeschichte hingearbeitet" werden sollte. So ist die in der Weltgeschichte produzierte Geschichte das äußere Mittel des Ausdrucks der inneren Freiheit der Freiheit, an dem im Idealfalle das Individuum über seine Tätigkeit beteiligt wäre, ja den es über seine Tätigkeit erst ermöglichte. Denn  Was an sich ist, ist eine Möglichkeit, ein Vermögen, aber noch nicht aus seinem Innern zur Existenz gekommen. Es muß ein zweites Moment für die Wirklichkeit hinzukommen, und dies ist die Betätigung, Verwirklichung, und deren Prinzip ist der Wille, die Tätigkeit des Menschen überhaupt. Es ist nur durch diese Tätigkeit, daß jener Begriff sowie die an sich seienden Bestimmungen realisiert, verwirklicht werden, denn sie gelten nicht unmittelbar durch sich selbst.

Aus diesem Ideal der Möglichkeit der zu sich kommenden Freiheit kann aber erst Wirklichkeit werden bzw. dieses Ideal kann nur solange wirklich bleiben, wie das Bewußtsein über die jeweilige innere Gegensätzlichkeit des Einen (individuellen, subjektiven) und des Anderen (materiellen, objektiven) (Selbst)bewußtseins und ihr gegensätzliches Verhältnis zueinander, wie der allgemeine Gegensatz von Subjekt und Objekt, Wirklichkeit und Ideal, ermöglicht ist. So, wie die Arbeit daran nötig ist, muß sie auch möglich sein, denn die Welt ist durchaus noch nicht bei sich angekommen.

Das Werden in der Einheit der Einheit und des Gegensatzes

Daß die Welt noch nicht bei sich angekommen sei, dieses für den Prozeß des Auszuges in die Wirklichkeit konstitutive Moment, ist auch der Ausgangspunkt des Blochschen dialektischen Materialismus, der den dialektischen Idealismus Hegels um das noch 'InMöglichkeitSeiende', Zukünftige erweitert. Während das Werden der Geschichte bei Hegel als Bewegung der Zweiheit des Geistes in seine Einheit "nicht als gerade Linie ins abstrakt Unendliche hinaus, sondern als ein Kreis, als Rückkehr in sich selbst"  also als Rückbewegung zu sich hin  begriffen wird, ist das Werden und Zusichkommen bei Bloch kein in sich geschlossenes, sonder vielmehr ein linear  wenn auch stets wieder brechend gebrochen  nach vorne hin geöffnet, sich dialektisch in Richtung seiner Wahrheit als noch offene Zukunft begebend Ausreisendes. Statt der 'Phänomenologie des Geistes', der Lehre des "sich stufenweise auslernenden Geistes", der "vom Ansich übers widersprechende Außersich zum subjektiven Anundfürsich dialektisch unterwegs" ist, handelt es sich bei Bloch eher um den Gang der "Phänomenologie des Heimwegs, der keinen Frieden macht mit der bereits vorhandenen Welt", so daß das Ansich das  über das dem Ist widersprechende Außen  erst zu bildende als Utopie ist, in deren Einzug die Welt als dann anundfürsichSeiende im Begriff sein sollte. Dabei bleibt das Werden  wie schon bei Heraklit und Hegel  ein dialektischer Prozeß zwischen dem Einen und Anderen desselben. Jedoch transzendiert dieser Prozeß die rein materielle Ebene des Seins: bei Bloch befruchten sich nämlich vielmehr das Materielle und Utopische als das Eine und das Andere des Ganzen. Es geht bei ihm nicht nur um die Einheit des gegensätzlich sich zu sich zurückentwicklenden Seienden, sondern um die noch darüberliegende Einheit des Gegensatzes zwischen dem, was  durchaus in sich gegensätzlich  ist und noch nicht ist. In dieser Idee der Bewegung der 'Einheit der Einheit und des Gegensatzes' findet sich somit nicht nur die dialektische Bewegung, sondern die strebende, offene dialektische Bewegung, in der das in seiner Gegensätzlichkeit werdende Sein mit seinem notwendigen Anderen als sein 'NochNicht' behaftet und konfrontiert wird. Zu diesem 'NochNicht' als seine Wahrheit  so der Gedanke  treibt das Sein sich selbst überholend aus, sobald es den Hunger nach Mehr verspürt, welchen der Mangel des 'Ist' aufkommen läßt. In dieser Bewegung steht bzw. bewegt es sich "gemäß eines Fieri und nicht bloß eines Factumest in dem unbeschreiblichen Prozeßsein der Welt, deren Front eben Mensch und nicht ausgemachtes Sein an sich heißt".

Die Lehre des 'Werdens in der Einheit seiner Gegensätze' wird hierin nicht etwa negiert, sondern vielmehr, diese beim Worte nehmend, über sich hinausgetrieben, indem des Werdens mögliche Produktion  als in Form der konkreten Utopie der bestehenden konkreten unzulänglichen Wirklichkeit gegenüberstehend  mitbedacht wird. Bloch macht somit die "Inzestform der Dialektik"  die Lehre der Einheit der Gegensätze unter dem Diktat der absoluten Idee, die ihr Ideal schon in sich trägt  zu einer dialektisch geöffneten Bewegung der Einheit der Einheit und des Gegensatzes. Über den Gegensatz zur Einheit des gegensätzlich Werdenden, wie auch durch die Vermittlung über das 'NochNicht', bildet sich die große 'Einheit der Einheit und ihres Gegensatzes'. Das 'NochNicht' findet in seiner Entwicklung nicht zu seiner bereits existenten Form zurück, kommt also nicht zu sich, indem es sich selbst als bereits ansichseiend erkennt und begreift, sondern bildet sich erst im Prozeß als etwas ganz Neues. Dieses 'herausspringende Neue' ist das zu Bildende, das  bis es sich erreicht  nicht 'Nicht' oder sogar 'Nichts', sondern vorerst nur 'NochNicht ist. Das 'Nicht' ist dabei zudem sowenig 'Nichts', wie es notwendige Bedingung für die Möglichkeit des NochNicht und damit der "Anfang zu jeder Bewegung nach etwas" ist. Zwischen Nicht und Nichts liegt "das ganze Abenteuer der Bestimmung, [das], einzig dem Nicht entspringend, das es als NichtHaben nicht bei sich aushält, [...] ontologisch [...] als NochNicht" abgebildet wird.

Das als zu sich kommendes NochNicht entstehende Neue beruft sich so nicht auf etwas bereits  und vor allem etwa nur im Ideellen  Vorhandenes, sondern es ist sich selbst seine mögliche Wahrheit, an der es den Menschen gestalten läßt, damit es sich, er sich, und er es fülle, wie es ihn füllt. In diesem Sinne formuliert Bloch in der Einleitung zur 1918 erschienenen Erstauflage von "Geist der Utopie": Wie nun? Es ist genug. Nun haben wir zu beginnen. In unsere Hände ist das Leben gegeben. Für sich selber ist es schon längst leer geworden. [...]. Das Rechte zu finden, um dessetwillen es sich ziemt, zu leben, organisiert zu sein, Zeit zu haben, dazu gehen wir, hauen wir die phantastisch konstitutiven Wege, rufen was nicht ist, bauen ins Blaue hinein und suchen dort das Wahre, Wirkliche, wo das Tatsächliche verschwindet  incipit vita nova.

Die noch offene dialektische Bewegung

Das große Ganze ist,
indem es sich erst bildet,
[...] nämlich noch nicht da.
Bloch

Durch die Erweiterung der Historie auf die Sphäre der Zukunft hin, befreit Bloch die Geschichte von dem 'ÜberIch' "im Himmel seiner geschlossengelungenen, absoluten Idee", an der sich deren Erscheinungen bei Hegel noch in bezug auf das Kriterium der Wirklichkeit und Wahrheit zu messen haben. Bloch dagegen formuliert das Wahre als das offene Zukünftige, als das noch unbestimmt offen seiend zu Bildende und damit als das bereits in der ihren eigenen Mangel empfindenden Gegenwart gegenwärtig Mögliche. Indem "das Totum selber, jenes Ganze, das wirklich die Wahrheit wäre, erst sehr latenzhaft im Begriffe, [...], im realutopischen Begriff"steht, wird also im Prozeß der Geschichte nicht ein bereits Existentes Ideal erreicht, sondern ein sich selbst noch in Entwicklung befindliches Zukünftiges produziert. Bei Hegel kommt der Geist in der Geschichte zum Bewußtsein seiner Selbst, bei Bloch dagegen die Wirklichkeit zum Bewußtsein ihrer ebenso wirklich seienden Möglichkeit, die ihre  der Wirklichkeit  Wahrheit ist. Das SubjektObjektVerhältnis stellt sich ihm also nicht als eines zwischen der unzulänglichen, gegenständlichen Wirklichkeit und dem bereits fertigen Ansich des Geistes als die absolute Idee dar, sondern das Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt vollzieht sich auf materiellutopischer Ebene als eines zwischen unzureichender gegenständlicher Wirklichkeit und ihrer noch offenen in Veränderung sich bildenden Möglichkeit, aus der das ersehnte Neue hervorgeht. Das ist gemeint, wenn Bloch schreibt: Neue Qual, neue Hoffnung zeigen dem Ungesättigten, als dem das Eigentliche Eingedenkenden, stets wieder den Beginn einer neuen Sphäre an. Das ist: eine neue Subjektstufe zur Vermittlung des Subjekts mit dem Objekt, des Objekts mit dem Subjekt. Diese vermittelnde SubjektObjektBeziehung ist der Prozeß der Erfrischung, ja der erneuernden Geburt des Ziels.

Wenn in der Bewegung des 'inMöglichkeitSeienden'  da sie auch eine dialektische ist  eine Rückbewegung bzw. Rückbezüglichkeit auch unerläßlich ist, so vollzieht sich diese hier mit der Ausrichtung nach vorn im "echten Rückgriff" auf das "noch Zukünftige, also Ungewordene im Vergangenen". In dieser Bewegung ist ein nach vorne offenes 'InMöglichkeitSeiendes' zu sich unterwegs.

Die Bestandsaufnahme des "Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst", mit der Bloch seine 'Tübinger Einleitung' einleitet, deutet hin auf den Weg des 'bloßen Bin' (des reinen Seins) über dessen Sichnichthaben (Sein als 'NochnichtSein') zur Möglichkeit des Werdens (Reflexion des 'NochNicht' im Sein), sowohl des 'Bin' als auch des 'NochNicht'. Ganz nach dem Prinzip der Einheit der Gegensätze geht der Weg des reinen Seins über sein NichtSein im Prozeß des Ganzen zum Werden sowohl des dem reinen Sein äußerlichen 'UmUns' , als auch zum Werden des dem Ganzen (reinen Sein und 'UmUns') fremden und äußerlichen 'NochNicht'. Damit vollzieht sich das Werden im 'UmUns'  im das dem Inneren materiell Äußerlichen  durch das utopische  durch das dem Äußeren äußerliche  'NochNicht' des Ganzen. Die Bewegung des 'Bin' aus seinem dunklen Innern "alles Innen ist an sich dunkel" in das 'UmUns'des Draußen, läßt sowohl es selbst, als auch sein Außen (sein Um und MitUns) erst werden. Ebenso muß sich das existente Bin mit seinem existenten Außen in das gemeinsame Außen als 'NochNicht' legen, um aus ihm angereichert in sich zurückgehen und somit näher zu sich kommen zu können. Diese Bewegung umzeichnet die gegenseitige Befruchtung von Utopie und Materie; den Gang vom Sein (Materie) über die Reflexion des NichtSeins (als NochnichteingelöstSein der Utopie) zum Werden, dem das nach vorne hin Offene als der im Gang sich bildende Wegweiser dient.

Das 'Darum werden wir erst' ist Weg und Ziel in einem, da in ihm auf der Ebene des notwendig kollektiven Zusammenschlusses freier Subjekte (oder des befreiten Subjek/Objekt) das Werden als Kausalfolge und vor(weg)genommene Absicht auftaucht. Das 'Werdenwirerst' ist gleichzeitig der Erkenntnisprozeß, der Weg der Bildung, den das Werdende, SeiendwerdenWollende durchschreitet. Dieses Werden ist durch das Seiende und seine Möglichkeit, welche in der Zukunft liegt, vermittelt: Und der gesamte Lehrgang stellt ebenso im Subjekt wie an seinem Objekt das Werden des Wissens dar, das in Gegensätzen fortschreitende, vom unmittelbaren, noch ungebildeten Ansich seines Inhalts hinauf auf immanenten Leitern, bis zu dem mit sich selbst vermittelten Resultat seines Inhalts. Sowohl im Seienden wie auch im zu Erreichenden muß dabei Freiheit walten: das SeiendwerdenWollende (z.B. die gesellschaftlichen Zustände) müßten frei sein in bezug auf seine bzw. ihre Möglichkeit zur Öffnung für das Zukünftige, und das Zukünftige selbst müßte offen sein, das SichentwickelndWerdende in sich aufzunehmen und dadurch beide wachsen, d.i. werden zu lassen.

Bei Bloch begegnet dem Seienden immer "die Sphäre der Zukunft, welche bei Hegel fehlt". Diese bildet sich aus dem "was es nicht bei sich aushält", aus dem Widerspruch zu dem, was ist, mit dem Blick nach der Zukunft "des Wahren eben als eines Prozesses und nicht als einer einstreichbaren Münze". In der offenen dialektischen Bewegung wird die Welt damit auf zwei Ebenen in Gang gehalten: die Gegensätze des reinen Seins und des 'UmUns' gewinnen ihre jeweilige Identität nur über das gleichzeitige Miteinander im Prozeß ihrer Bewegung (Einheit der Gegensätze). Sie füllen sich gegenseitig ihre Leere und lassen sich die Art ihrer Fülle sichtbar werden, indem sie sich gegenseitig reflexiv (an)erkennen. In gleicher Weise gewinnt das ganze materielle Sein (reines Sein und 'UmUns') als Einheit von Entgegengesetzten seine Identität erst über die gleiche Bewegung mit seinem Gegensatz, dem NochNicht, (Einheit der Einheit und des Gegensatzes). In beiden Fällen ist das Außen unerläßlich für den Weg des Seins zum Werden des Ganzen, für den Auszug also aus dem "Dunkel des gerade gelebten Augenblicks". Diese gegenseitige Vermittlung zwischen Außen und Innen ist die arbeitende Bewegung und die den Arbeitenden und die Welt bewegende Arbeit, die notwendig ist, sofern der Leitstern des werdenden Seins Veränderung ist, denn Bewegung setzt und verändert den Stoff der Natur, Arbeit an ihm setzt und verändert den Stoff der menschlichen Geschichte.

Bei dieser Arbeit produziert sich die Geschichte nicht wie bei Hegel über das zu erlangende Bewußtsein der über ihr liegenden, bereits an sich seienden Idee als einer des Geistes, sondern vielmehr über ihr Bewußtsein über ihre noch vor ihr liegende Möglichkeit als konkrete materielle Zukunft. Diese gestaltet sich im Prozeß in der "objektivobjekthaftrealen Möglichkeit" als Sinn und Zweck, als "Wohin und Wozu" und zwar als "ein zu wollendes, also gutes Wozu und ein zu erkämpfendes, also noch nicht erreichtvorhandenes" Wohin. In diesem Prozeß vollzieht sich die "Hochzeit der Dame Dialektik (aus so vornehmen idealistischem Haus) mit dem plebejischen [...] Burschen Materialismus" und manifestiert sich als der Gang der "materiellen Dialektik" in einer sich stets wieder selbst sprengenden Wirklichkeit. In dieser Verbindung Idealismus / Materialismus kommt die Dialektik für Bloch "zum Zug, den sie wirklich hat". Das dabei herausspringende Neue ist darin "in dem unfertigen, sich immer wieder selber aufsprengenden Substrat der Welt fundiert". Es treibt sich heraus aus der Welt, die nicht aus Fakten, sondern aus Prozessen besteht und darin  mittels des immer wieder brechenden, aufbrechenden Widerspruches zu unzureichend Gewordenem  aus Unterbrechung, Abbruch, Umbruch. Eben aus lauter Versuchsgestalten, Auszugsgestalten, kurz Realmodellen eines noch nicht Gelungenen, woran erst die Einheit der Einheit und der Widersprüche offen wäre.

So ist Philosophie nicht nur 'Zeit in Gedanken gefaßt', sondern sie "blickt vielmehr [...] auch in die nächste Zeit [...] ins ganze Zeitanliegen hinein". Darin ist sie immer auf das Bessere, verbesserte Neue aus, denn wie nach Bloch "der Nerv des rechten historischen Begriffs [...] das Novum" ist, so sei der des "rechten philosophischen Begriffs das bessere Novum". Dieses ist, als das Gegenteil zum Schlechten, solange möglich bzw. objektiv real möglich, wie es noch gedacht werden kann; solange also, wie es das schlechtere objektiv real Seiende noch gibt. Solange dann wieder das noch Mögliche noch möglich ist, bleibt es ewig jung, denn nur "was sich noch nie und nirgends hat begeben, das allein veraltet nie".

Es ist der Gegensatz zwischen begriffener Gegenwart und gestaltbarer Zukunft, der die Bedingung für das Werden der Welt darstellt, so daß Bloch sagen kann: Ohne Dimension Zukunft, uns als adäquat denkbar, aktivierbar bleibend, hält es ohnehin kein Dasein lange aus. Oder wie Oskar Wilde nicht minder entschlossen formuliert: Eine Landkarte, auf der das Land Utopia nicht verzeichnet ist, verdient keinen Blick.

In der noch offenen dialektischen Bewegung geht dabei alles, was noch nicht ist, aus dem bereits Seienden hervor. Es ist mit ihm sogar dialektisch verbunden und bereichert es darin um die nicht auszulöschende Möglichkeit: In den Dingen selber gibt es nur eine gepunktete Verlängerungslinie zu diesem Land, doch auch das Radierende, Kaschierende sämtlicher Positivisten kann sie aus dem, was wirklich der Fall ist, nicht entfernen. Folglich gibt es [...] utopische Ränder nicht nur des jeweils Seienden, sondern des gesamten bereits vorhandenen Seins und Wesens selber, die das vorhandene Wirkliche mit so sehr viel größerem objektivrealMöglichem umgeben.

Da das Mögliche um das bereits Seiende herumliegt  wobei das umrahmende Mögliche aus dem Seienden hervorgeht, indem sich dieses Seiende in es (das Mögliche) hineinlegt  müßten die, die die Dinge nur so betrachten wie sie sind, sie mit mindestens der gleichen Überzeugung auch in ihrem Anderssein für möglich halten können, denn beides ist wieder nur über ihr jeweils Anderes. Zudem muß, da die Welt noch nicht bei sich angekommen ist, da das Mögliche noch nicht das Wirkliche, Subjekt noch nicht Prädikat und das Wirkliche noch nicht das Vernünftige ist, das 'InMöglichkeitSeiende' mit gleicher Zuwendung behandelt werden, wie das, was vergangenes Mögliches und damit gerade jetzt gegenständlich Wirkliches ist: Wenn es eine Formel der Gemeinheit sein kann, die Dinge nur so zu nehmen, wie sie sind, dann gehört nicht viel Paradox dazu, um statt dessen ihrem Andersseinkönnen mindestens so viel Treue zu halten.

Um dies 'objektiv noch Latente in der Welt' strebend einlösen zu können, muß sowohl es als auch sein Gegenteil, das objektiv Manifeste, sowie der beide verbindende Mangel erfahren werden können, um diesen sodann über seine Bearbeitung zu dessen konkreter Utopie  welche die Wirklichkeit immer noch überschreitend berührt  hin auflösen zu können. Wäre dies wirklich möglich, so wäre es allerdings schon längst keine Möglichkeit mehr. Solange aber die Möglichkeit als solche noch existiert, bleibt utopisches Bewußtsein [...] in dem noch Ausstehenden seiner Erfüllung überall unbetrüglich [...]. [...] [U]topisches Bewußtsein verschüttet nicht das verpflichtende Ziel mit Lösungen, gar bloß verdinglichten Mitteln von Unterwegs, mit verabsolutierendem Halblicht als Abschluß, sei es selbst Hegelschen Ranges.

Vielmehr ist das verpflichtende Ziel die offene Bewegung, in der sich die Welt als stetiger Versuch ihrer selbst, über ihren ebenso stetigen Entwurf in ihr 'NochNicht', in ihr Werden, an dieses gelangend zu sich hin bewegen sollte. Dies als "Bewegung [...] mit dem zu Erfüllenden in sich" und mit der wirklichen "Dialektik der Unruhe , nämlich der Unerfülltheit, Unangemessenheit" als Wegweiser in die bessere Zukunft, die "die unvorhandene Anwesenheit des Vollkommenen im Unvollkommenen" einst materiell vorhanden sein werden lassen soll. Oder mit Bloch auf seinen eigenen Punkt gebracht: Der Mensch ist immer ein Lernender, die Welt ist ein Versuch, und der Mensch hat ihm zu leuchten.

Die Bedingung der konkreten Möglichkeit: der erfahrene Mangel

Triebkraft dieser Bewegung, der 'Dialektik der Unruhe', ist nach Bloch der erfahrene und sich erfahrende Mangel, das gegenständliche 'Nicht', mit dem das materielle Sein behaftet ist. Dieser erfahrene Mangel manifestiert sich als konkrete Hoffnung im "Willen zum besseren Leben mit aufrechtem Gang", beim offenen, staunenden Blick nach vorn und dem energischen Drang nach Mehr. In diesem Prozeß nähert sich das stets offene Ganze in der "Treue zum Anfang, der seine Genesis erst noch hat" als Erinnerung an das Neue seiner konkreten Utopie an, damit es einst zusichgekommen in ihr aufgehen könne. Der Auszug in die Wirklichkeit ist somit bei Bloch der in das noch Zukünftige. Dessen Möglichkeit ist abhängig von seinen Bedingungen, welche dem "Selbsterweiterungstrieb nach vorwärts" den Weg weisen. So ist zum einen unerläßlich, daß vorhandener Mangel als solcher erfahrbar sei und auch begriffen werden wolle, wie es auch notwendig ist, daß das bessere Neue sich vorgestellt werden könne: Das Nein zum vorhandenen Schlechten, das Ja zum vorschwebenden Besseren wird von Entbehrenden ins revolutionäre Interesse aufgenommen. Mit dem Hunger fängt dies Interesse allemal an, der Hunger verwandelt sich, als belehrter, in eine Sprengkraft gegen das Gefängnis der Entbehrung.

Die Entbehrung, der Mangel, gehört nach Bloch zu den ersten Erfahrungen, die wir machen. Aus dem begriffenen Mangel entwickelt sich der Hunger, der schließlich die Kraft hat, zu bewegen und zu verändern: Weil wir erkennen, daß wir nicht sind, was wir sein wollen, werden wir gestoßen, das Nicht in unserem Dasein aufzuheben. Das können wir dadurch, daß wir das Nicht nicht als endgültig hinnehmen, sondern es als NochNicht benennen. In dieser Zeit des NochNicht kann ich verändern, kann ich mitwirken. Es gibt eine Zukunft, in die meine Phantasie reicht.

Die mit Nicht und Mangel behaftete gegenständliche Wirklichkeit ist die auf die Aufhebung des Mangels hin zu bearbeitende. Diese Arbeit beginnt mit dem Willen, haben zu wollen, was noch nicht als Erfülltes, sondern nur als Entbehrtes ist. Letztlich ist es der Hunger, der alles bewegt, wie die Erkenntnis des Mangels Voraussetzung für den Hunger ist. In dieser Voraussetzung liegt die Ursache für die Hoffnung auf eine bessere Welt, und diese wiederum ist die Berechtigung der Utopie als der Weg dorthin. Der erfahrene Mangel ist das Vermittelnde zwischen Materie und Utopie und erfüllt seine Funktion über die Dialektik der Natur der Materie, indem dieser (der Mangel) in ihr ist, damit er behoben werde. Die Vermittlung des Mangels liegt also darin, daß er sich zu seiner eigenen Aufhebung freigibt. Darin ist er der Boden möglicher Geschichte, in der der Mensch über seine Arbeit die Welt zu ihrer Perfektion hin bearbeiten soll, indem er den erfahrenen Mangel aufzuheben bestrebt ist. Es ist dafür aber gleichermaßen bedeutend, daß sich etwas verändern läßt, wie, daß ein `Jemand´ da ist, der verändern will. So wie die Welt die Möglichkeit zur Perfektion in sich trägt, muß der Mensch also den Willen verspüren, die Aufgabe derer Realisation tätig auf sich zu nehmen. Der Größe der Aufgabe sind dabei keine Grenzen gesetzt, denn die Dialektik bewirkt, daß die Möglichkeit zur Perfektion mit wachsendem Verfall der Zustände steigt. Mehr als Möglichkeit ist es eine Notwendigkeit, daß der Mensch der unzureichenden Wirklichkeit mit tätiger Gestaltung von Neuem begegnet; daß er das 'Nicht' als bloß 'NochNicht' und die scheinbar angekommene Welt als eine noch 'InMöglichkeitSeiende' begreift, so, daß die mangelhafte materielle Welt über die Erkenntnis der Entbehrung den Boden für die konkrete Utopie bildet. Insofern erhält der Mangel die Sprengkraft eines Kampfbegriffes, da er antreibt, sich selbst aufzuheben. Er kommt aus dem Nicht, das nicht hat und so [...] treibt. Wir leben nicht, um zu leben, sondern weil wir leben, doch gerade in diesem Weil oder besser: diesem leeren Daß, worin wir sind, ist nichts beruhigt, steckt das nun erst fragende, bohrende Wozu. Dergestalt, daß es das Nicht des unausgesuchten Bin oder Ist nicht bei sich aushält, darum ins NochNicht sich entwickelt, das es vor sich hat. Und worin der Trieb, als der zum Nicht vorhandenen besseren Leben, nun geschichtlich wird, dort gärt, kämpft, vorträumt, vorbildet, probt, ändert. Das also ist der Grund, warum Denken dringender als je nicht zu irrlichterieren hat, sondern ineins nach vornhin blickt [...]  der kundighoffenden Beförderung des NochNicht verschworen.

Der erfahrene Mangel regt dazu an, die Welt nicht als gegeben hinzunehmen, sondern sie aus sich heraus zu bearbeiten. Die Bearbeitung ist nach Bloch zu verstehen als 'Übergleichzeitigkeit', innerhalb derer es sich um den Akt des bewußten Überholens der Zeit und darin um eine negative Verknüpfung mit der bestehenden Wirklichkeit handelt. Im Gegensatz zum 'Empiristischen', welches "abstrakt unter die Wirklichkeit" und zum 'Utopistischen', welches "abstrakt über die Wirklichkeit greift", greift das Utopische konkret über die Wirklichkeit, ohne daß es sich dabei überschlägt und bei "Beachtung der Straße", auf der der Lauf der Dinge sich vollzieht. Das, was konkret über die Wirklichkeit greift, muß zuerst mit dieser unzufrieden bzw. noch nicht zufrieden sein, und es muß über diesen Bezug ex negativo von ihr und mit ihr in ihre neue Zukunft einziehen wollen.

Dieses setzt eine Art voraus, die nicht mitmacht. Die zwar durchaus gleichzeitig ist, aber darin nicht aller Tage Behagen findet. Vielmehr lebt hier echter Widerstand gegen ein herrschend Schlechtes in der Zeit wie auch echte Zustimmung zu übergehend Bedeutendem in ihr. Und beides wächst dann auf dem gleichen Holz: auf dem Baum des Morgen im Heute.

Im Überholen und Vorausströmen wird die Wirklichkeit somit in der Zukunft zu sich selbst gebracht, "denn letzthin muß hier über ein Ziel hinausgeschossen werden, damit es getroffen wird". Das, was hinter dem Ziel liegt, ist die Zukunft, die sein muß, damit das Jetzt ausziehen bzw. in sie einziehen kann. Im Auszug des historischen `Jetzt´ in seine nicht minder bereits historische Zukunft stellt sich die Welt somit als heimkehrende in ihre künftige Wirklichkeit als ihre Möglichkeit dar.

Nach der Theorie müßte dabei aber  obwohl die Welt auf ihrer Heimreise in ihre Zukunft immer möglicher würde  der Hunger nach sich selbst sich unterwegs eher vergrößern als gestillt sein, denn "der Hunger ist selten einstöckig, [...], und was er ißt, schmeckt nach mehr".

Das Mangelhafte, das 'unmittelbare Bin', welches zudem gleichzeitig hungerndes und essendes ist, produziert also in seinen verschiedenen Produktionen (empfundene Entbehrung, empfundene Unzufriedenheit) den Mehrwert des Hungers, der nicht etwa gestillt ist, sobald er seiner Intensität entsprechend befriedigt wird, sondern dagegen ein Mehr an sich selbst  an seinem Hunger  erfährt. In seiner sich stets vergrößernden reproduzierenden Unzufriedenheit  oder besser wachsenden Sehnsucht nach totaler Aufhebung seiner (der Unzufriedenheit) selbst, worin der Hunger zu sich käme  ist er also immer wieder und immer mehr bedürftig. Er "Treibt und treibt so an, im Dunkel des gerade gelebten Augenblicks, dem unmittelbaren Ansich von allem". Das 'Nicht' mit seinem Hunger und seiner Triebkraft drängt nun aus sich heraus nach Außen;  ins Gegenteil von dem erfahrenen existenten Sein. Die Grundkraft der Bewegung, der Hebel der Veränderung,  liegt im Drang des Nichts, sich in sein Anderes  das erst noch außerhalb seiner existiert  zu legen, um so aus sich herausgehend sich selbst füllen zu können: Alles ist noch um dieses Nicht gebaut, freilich um eines, das es nicht bei sich aushält. Eben ein Hohles ist darin, das sich füllen will; damit hebt alles an.

Die Orientierung aus sich heraus in sein jeweils Anderes ist die für jede Bewegung konstitutive. Sofern das Existente noch ein Mangelhaftes ist, ist es noch mit 'Nicht' behaftet und ist  sofern es Sehnsucht nach dem Besseren verspürt  darauf angewiesen, sich auf das ihm äußerliche Andere (sei es der Hegelsche Geist an sich als eigentliches Sein, oder das Blochsche erst noch InMöglichkeitSeiende Sein) zu beziehen. So formuliert Bloch:

Alles, was lebt, muß auf etwas aus sein oder muß sich bewegen und zu etwas unterwegs sein, die unruhige Leere sättigt draußen ihr Bedürfnis, das von ihr kommt.  Nur an Draußen kann sich dieses eigene Nicht des Habens halten, mit dem Hunger also nach Außen.

Über seinen Hunger füllt so das mangelhafte Sein sein Außen als NochNichtSein mit Leben, so daß es konkret möglich wird und um die jeweilige Zeit in und aus dieser konkreten Möglichkeit wachsen lassen und sich weiter  von sich weg, aus sich raus zu sich hin sich bewegend  entwickeln zu können.

Schlimm steht es nur um die Zeit, in der die 'existente Leere', das 'gegenständliche Nicht' ideologisch gefüllt wird, so daß sich beide  sowohl die Leere, als auch das 'Nicht'  nicht mehr erfahren können und darum keinen Hunger mehr verspüren, da die Übersättigung durch Schein die Sättigung an Sein nicht mehr erstrebenswert sein läßt.   Um eine Zeit also, in der der Welt konkret und im wörtlichsten Sinne a priori die Möglichkeit ihrer produktiven Entfremdung, ihrer in ihrer Gegensätzlichkeit prozeßhaft zu sich kommenden wirklichen Wirklichkeit, ja die Möglichkeit ihrer eigentlichen Möglichkeit genommen wird, obwohl und wodurch sie und ihre Manifestationen so wenig bei sich ankommend sind.